Lauffen bietet Hölderlin und noch viel mehr

Veröffentlicht am 12.10.2011 in Arbeitsgemeinschaften

Mit der SPD-AG 60 plus auf Besichtigungstour in der sehenswerten Neckarstadt

Es konnte nicht anders sein: der Informationsbesuch der Arbeitsgemeinschaft 60 plus des SPD-Kreisverbandes Heilbronn-Land in der "Weinstadt am Neckarufer", in Lauffen, die auch gerne als "Hölderlin-Stadt" wirbt, musste irgendwie mit Hölderlin beginnen. Unser Lauffener Genosse Hartmut Wilhelm, pensionierter Oberstudienrat, der sich als offizieller Gästeführer entpuppte und uns immer wieder mit gescheiten und humorvollen Erläuterungen beeindruckte, führte uns vom Parkplatz Hagdol wenige Schritte weiter zu "Hölderlin im Kreisverkehr". Wohl jeder hatte schon mal den den Kreisverkehr am Ein- bzw. Ausgang von Lauffen befahren, aber wohl kaum das darin befindliche Kunstwerk richtig eingeschätzt.

Diese dort seit 2003 stehende große Skulptur des für seine ironischen und provokanten Arbeiten bekannten Bildhauers Peter Lenk zeigt Hölderlin in Zusammenhang mit seiner Lebens- und Rezeptionsgeschichte. Grundkonstruktion des aus witterungsresistenten Steinguss bestehenden Kunstwerks ist ein geschwungenes "H" für Hölderlin mit einer waagrecht liegenden Schreibfeder im Mittelpunkt. Auf der Federspitze sitzt ein arglos und froh wirkender wohl zweijähriger Junge, der in Lauffen geborene Hölderlin, und am anderen Ende der Schreibfeder sitzt wieder Hölderlin, in sich gekehrt und den anderen Figuren des Kunstwerks den Rücken zukehrend. Man sieht ferner die kraftvolle massige nackte Gestalt Goethes (der mit Hölderlins Texten nichts anfangen konnte), und dem aus seinem Rumpf entwachsene klassizistisch geformte Schiller (den Hölderlin verehrte), der dem Jungen auffordernd einen Lorbeerkranz entgegen hält. Dann gibt es noch die Gestalt des Philosophen Friedrich Nietzsche (der sich mit Hölderlin seelenverwandt zeigte), und zwar auf einem Fahrrad, finden sich doch in Nietzsches Werk zahlreiche Rad-Bilder als Symbol für etwas Unaufhaltsames. Die Krönung bildet Herzog Carl Eugen von Württemberg, der in Siegerpose mit in die Hüften gestemmten Hände auf dem verendenden württembergischen Hirsch steht, Sinnbild des absolutistischen Herrschers. Als einzige weibliche Figur ist in griechisch anmutender Schönheit Diotima gestaltet, die Geliebte des Hyperion aus Hölderlins gleichnamigem Briefroman.

Ein kurzer Weg ist es zum Klosterbereich, wo Johann Christian Friedrich Hölderlin am 20. März 1770 geboren wurde; sein Vater war herzoglich-württembergischer Hofmeister für die Güter des aufgehobenen Frauenklosters und seine Mutter Pfarrerstochter. (Nach dem Tod des Vaters zog seine Mutter 1774 nach Nürtingen. Nach Besuch der Lateinschule sowie der Klosterschulen in Denkendorf und Maulbronn studierte Hölderlin am Theologischen Seminar in Tübingen, war "Stiftler", wollte aber nicht Pfarrer, sondern Dichter werden - und er wurde ein philosophischer Poet. Nach diversen Hauslehrer-Tätigkeiten - u.a. in Frankfurt und Bordeaux - geriet er zunehmend in bedrängende Zustände und wurde 37jährig von einem Schreiner in Tübingen zur Pflege in sein Haus aufgenommen, wo er am 7. Juni 1843 starb.)

Wir sahen im Klostergarten eine kleine Gedenkstätte für Friedrich Hölderlin: ein bronziertes Zinkrelief mit Hölderlins Büste und klugem Zitat. Im Klosterhof-Museum besuchten wir das Hölderlin-Zimmer, ganz angetan davon, wie in einem nur 25 qm großen Raum eine so umfassende informative Ausstellung in ansprechender ästhetischer Weise mit innovativen und aktiven Elementen - bis hin zum aufblätterbaren Hörbuch - gelungen ist. Dennoch gingen wir wohl einig mit der Ansicht von Hartmut Wilhelm, dass das Werk des weltberühmt gewordenen Dichters und Philosophen sich in einer für den normalen Menschen nicht erreichbaren Gedankensphäre abspielt.

Das Museum im Klosterhof beherbergt neben dem Hölderlin-Zimmer noch andere Räumlichkeiten für Sonderausstellungen. So konnten wir die Vorarbeiten und das Hauptmodell für die nächste Ausstellung sehen: "Er fließt! Es leuchtet! - 120 Jahre Drehstromübertragung von Lauffen nach Frankfurt" vom 9. 10. 2011 bis 12. 2. 2012. Kern der Ausstellung ist das historische Ereignis der weltweit ersten Fernleitung von elektrischer Energie, als es dem Ingenieur Oskar von Miller (später Gründer des Deutschen Museums in München) am 12. September 1891 gelungen war, vom Württembergischen Portland-Cement-Werk zu Lauffen am Neckar aus in Frankfurt 1000 Glühbirnen aufleuchten und einen künstlichen Wasserfall fließen zu lassen.

Durchs "Dörfle" - vorbei am der Ölmühle" - ging es durch die Bahnunterführung zum Park- sowie Spiel- und Parkplatz-Gelände im Mündungsbereich der Zaber in den Neckar, früher immer wieder Überschwemmungsgebiet. Unser nächstes Ziel: Die mächtig auf einem Bergsporn drohnende Regiswindiskirche, deren Anblick durch die derzeitige Fassaden-Einrüstung jedoch getrübt wurde (für eine Million Euro steht eine Sanierung der Außenhaut an). Dennoch: Innen ist das spätgotische Gotteshaus schon beeindruckend, insbesondere der durch neue helle Weinreben-Fenster gut zur Geltung kommende Chor mit einer aus dem 18. Jahrhundert stammende, in Form eines Flügelaltars gestaltete prächtige Orgel, die vom Spieltisch der modernen Orgel auf der Empore (aus der Werkstatt der Lauffener Orgelbaufirma Rensch von 1973) aus gespielt werden kann.

(Der Bau der Regiswindiskirche wurde ab 1227 im basilikalen Schema begonnen undm 1300 vollendet. Nach Zerstörung durch Blitzschlag 1564 - der Chor überstand den Brand unbeschadet - wurde die Kirche als Hallenkirche im Renaissancestil mit drei gleich hohen Schiffen wieder errichtet. Ursprünglich wurde die Regiswindiskirche als ehemalige Wallfahrtskirche zu Ehren der Ortsheiligen Regiswindis gebaut. Die 823 geborene Regiswindis war die Tochter des Grafen Ernst vom Nordgau und seiner Frau Friedburgas, einer Tochter Kaiser Ludwigs des Frommen. Regiswindis wurde im Alter von sieben Jahren von ihrer Amme aus Rache ermordet und in den Neckar geworfen, wo ihr Leichnam angeblich drei Tage später unversehrt am Ufer gefunden wurde. Aufgrund dieses "Wunders" wurde sie heilig gesprochen und lange Zeit verehrt, zuerst in der seit 741 bestehenden Martinskirche, dann im Neubau einer mittelromanischen Kirche 1050-1150). Die Regiswindiskirche ist seit der Reformation - nach der siegreichen "Schlacht bei Lauffen" 1534 des des Herzog Ulrich von Württemberg - evangelische Pfarrkirche; hier finden heute auch immer wieder Konzertveranstaltungen statt.

Vom Dorf ging es dann über die alte Neckarbrücke von 1474 bzw. 1532 - für Lauffen jahrhundertelang von strategischer Bedeutung (Durchmärsche während Kriege führten auch zu verheerenden Plünderungen durch Brandschatzungen) - ins "Städtle" zum gemeinsamen Mittagessen (mit 33 Personen) im historischen Gasthaus "Sonne". Von da aus war es nicht mehr weit zum Übergang zum "Rathausberg", wo sich in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Wasserburg (seit 1818) das Rathaus der Stadt Lauffen befindet. Bürgermeister-Empfang stand auf dem Programm, und im aussichtsreichen Rathausgarten war bei diesem strahlenden Altweibersommerwetter bereits an einem Tisch Rotweingläser gerichtet, um der Weinstadt Lauffen - mit 600 Hektar Rebfläche - Ehre zu machen. Bürgermeister Klaus-Peter Waldenberger gab kompetent und eloquent Einblicke in seine Schwerpunktarbeit, verwies auf den Rückgang der Einwohnerzahl auf unter 11 000 und Schwierigkeiten bei der Ausweitung von Bauland sowie auf die leidige Problematik mit der Sanierung der Neckarbrücke an der B 27, die täglich von 20 000 Fahrzeugen gequert wird. Den meisten unbekannt war der Hinweis auf "Brasilien", war doch in den ersten Jahren des II. Weltkriegs auf der Nordgemarkung Lauffens die Attrappe des Hauptbahnhofs Stuttgart installiert worden, um alliierte Bomber zu täuschen, was Lauffen verheerende Luftangriffe einbrachte. Und Politisieren gehörte natürlich auch dazu - der Besuch der Heimatausstellung im Wohnturm aus der Salierzeit blieb als Empfehlung . . .

Nach einem Spaziergang am Neckarkanal kamen wir dann auf der B27-Brücke zu den Schleusenanlagen. Die Schleuse Lauffen ist eine von 15 des Wasser- und Schifffahrtsamtes Stuttgart zwischen Plochingen und Heilbronn. Wir konnten die Abfertigung von drei Binnenschiffen in den beiden Schleusenkammern sehen, dabei die Parallelschleusung von zwei "Maximalschiffen" von 105 m Länge und 11,40 m Breite; die Neckarschleusen sollen ja für die modernen Containerschiffe auf 140 m Länge ausgeweitet werden. Am Lauffener Wehr, dessen Maschinenpark wir auch unter fachkundiger Leitung besichtigten, ist eine 280 m lang Fischtreppe an der Staustufe vorgesehen.

Nach schier erdrückenden Informationen über Stemmtore mit Segment- und Rollenschützen, Hakendoppel- und Oberschützen und Wehrfelder spazierten wir auf einem "unbekannten" Pfad auf der anderen Seite des Neckarkanals wieder zum Parkplatz zurück - voll guter Eindrücke von einer gelungenen Besichtigungstour in Lauffen, wo es wohl noch viel Interessantes zu entdecken gäbe.
(Helmut Sauter)

 

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